Freitag, Januar 18, 2013

Wird es 2020 noch hochwertige digitale Inhalte geben?

Da das neue Jahr mal wieder eher ruhig begonnen hat, gibt es für mich etwas Zeit, um einen kurzen Blick auf ein paar Themen der zurückliegenden Monate zu werfen, die für einen Blog über die Entwicklungen im Bereich digitale Medien relevant waren.

2012 war ein Jahr, in dem in Deutschland diverse Diskussionen zur Zukunft von Zeitungen und ihren Machern geführt wurden. Somit konnte ein Beobachter der Medien nicht umher, diverse Debatten zu Qualitätsjournalismus, Urheberrechten und Zeitungssterben zu verfolgen. Ob es dabei tatsächlich um die Qualität der Inhalte ging und geht, will ich an dieser Stelle nicht bewerten. Es geht aber bestimmt darum, dass sich alte Denkmuster und Geschäftsmodelle scheinbar nicht mehr halten können. Und es geht um eine Veränderung in den Nutzungsmustern der Rezipienten von analogen und digitalen Inhalten – eine Veränderung die zum Teil schon stattgefunden hat, aber auch weiterhin stattfindet.

Ich werde mich hier weder als Kommentator der verschiedenen Positionen versuchen, noch ein Urteil über die verschiedenen Diskussionsteilnehmer fällen. Diskussionen und Debatten, die zu einem gesellschaftlichen Wandel geführt werden, sind in heutiger Zeit (und waren sie schon immer) wichtig und sollten deswegen auch über verschiedene Kommunikationskanäle hinweg geführt werden. Eventuell ist es somit möglich, viele Menschen mit der Debatte zu erreichen und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Wertschätzung
Ein wesentlicher Punkt, der mir in all dem, was ich gelesen, gesehen und wahrgenommen habe, aufgefallen ist, war die Frage nach der zukünftigen Bezahlung für inhaltliches oder künstlerisches Arbeiten. Und dies ist grundsätzlich eine Frage nach der Wertschätzung von Arbeit.

Die Frage nach einem zukunftsfähigen System für die Honoration von geistiger Arbeit ist auch durchaus wichtig. Ein Autor, Künstler oder Programmierer hat heute zwar mehr Möglichkeiten ein Publikum zu erreichen, aber dies bedeutet noch lange nicht, dass ein Vertreter dieser Berufsgruppen auch seinen Lebensunterhalt mit diesem Erreichen von Öffentlichkeit verdienen kann, wenn niemand bereit ist, für die geleistete Arbeit zu bezahlen. Skaliert man dies nun auf einen riesigen Apparat wie einen Verlag, verzigfacht sich dieses Problem und sehr viel mehr Existenzen hängen an der Bereitschaft zu geldwerter Honorierung.

Die scheinbar sinkende Bereitschaft, den Machern von hochwertigen Inhalten oder digitalen Werkzeugen eine Wertschätzung in Form von Bezahlung entgegenzubringen, könnte dazu führen, dass die noch vorhandenen Vielfalt von hochwertigen Zeitungen, Magazinen, Büchern, Software, etc. pp. sehr bald versiegt. Ein Autor, der mit seinen Texten nichts mehr verdienen kann, wird bald auch keine mehr schreiben – egal wie gut diese waren und wie gerne er weiterhin schreiben will. Ein Programmierer von Apps, der keinen Cent für seine Arbeit erhält, wird keine weiteren Apps mehr anbieten. Ein Grafiker oder Fotograf, der nur positive Kommentare, "warme Worte" und "likes" als Anerkennung für seine Arbeit und sein Talent erhält, wird auf andere Art seine Brötchen verdienen müssen – egal wie beeindruckend seine Illustrationen, Grafiken oder Fotos waren. All diese bisher professionellen Kreativen werden mehr Zeit in einen anderen Broterwerb investieren müssen und weniger Zeit für die Entwicklung ihrer Talente haben.

Warum die hochwertigen Inhalte aussterben
Wenn die nachrückenden Generationen feststellen werden, dass man mit solcher (kreativer) Arbeit und egal welchem Talent kein Geld (mehr) verdienen kann, wird es kaum noch Nachwuchs in diesen Bereichen geben – solange, bis eine solche Tätigkeit wieder als etwas Besonderes gilt, dem man auch finanziell Wertschätzung entgegen bringen sollte.

Derzeit glaube ich, dass wir im Jahr 2020 zwar ein technische Weiterentwicklung von Geräten zur Darstellung von Inhalten finden werden, jedoch die hochwertigen Inhalte aufgrund ihres Werteverlustes und des damit verbundenen Verschwindens vieler Macher kaum noch zu finden sind. Stattdessen wird es eine Vielzahl dilettantenhafter Inhalte geben, ein unendliches Heer von unsäglichen Einträgen in Sozialen Netzwerken und kaum noch etwas, über das wir wirklich eine Art erweiterten Blick erhalten.

Erst wenn die Verlage es hinbekommen, den Käufern und Lesern von Zeitungen, Magazinen oder Büchern klarzumachen, dass Sie nicht für das Papier bezahlen, sondern für die Inhalte (also Hintergrund-Artikel, Tipps, Impulse, Impressionen und Perspektiverweiterungen) dann wäre die Existenzgrundlage für Autoren und Verlage gesichert.

Neue Konzepte
Als Apple im iTunes Store die Auflösung von Alben in Sammlungen einzelner Titel betrieben hat – was einige Fans von Künstler-Alben empörte – konnte eine große Zahl von Nutzern der Plattform dazu bewegt werden, einzelne Titel zu kaufen statt ganze Alben über "graue" Wege zu klauen. Für Zeitschriften oder Zeitungen würde die Adaption dieser Logik bedeuten, sowohl das Sammelwerk anzubieten, wie auch den Kauf von einzelnen Artikeln zu ermöglichen. Als Bonus wäre dann noch eine "Magazin vervollständigen" Funktion hilfreich. Wenn ein Leser eh schon die Hälfte des Magazin-Preises für eine Auswahl von Artikeln bezahlt hat, liegt die Vervollständigung ab und zu schon nahe.

Der Lonely Planet Verlag (das englische Original, nicht der deutsche Vertriebspartner) hat dies scheinbar schon verstanden und bietet sogar seine Reiseführer als modulare eBooks an. Aber dies ist noch ein Einzelfall.


Wenn Verlage sich also von dem zwanghaften Verkauf von Inhaltssammlungen (was Zeitungen und Magazine nun einmal sind) in den digitalen Versionen verabschieden würden und die Inhalte ihrer Autoren auch modular (quasi als "Lose Blattsammlungen") verkaufen würden, wäre zum einen klar, dass nicht das Heft oder Buch gekauft wird, sondern die Artikel (also die Inhalte) und zum zweiten wären vielleicht mehr Leser bereit z.B. einen Leitartikel als einzelnes "Produkt" zu erwerben.

Dieses Prinzip könnte sogar für Fachbücher oder Sammelwerke eingesetzt werden, um damit auch einzelne Kapitel zu monetarisieren. Dieses Konzept haben externe Anbieter wie der deutsche eBook Anbieter "paperc" oder das englische Portal "Reference Tree" auch schon aufgenommen und zum Geschäftsmodel gemacht. Beiden Lösungen fehlt aber noch der "Buch vervollständigen" Button.

Ein positiver Nebeneffekt bei einem solchen Konzept wäre für die Verlagsleitungen, dass dadurch auch klar wird, für welche Artikel die Leser bereit sind Geld auszugeben. Aber auch die Autoren würden somit eine Möglichkeit erhalten, Artikel anzubieten, die sich über ihren Verkaufsrang positiv auf das Honorar bzw. das Gehalt auswirken.

Mit der Zehnerkarte zum Inhalt
Eine weitere Idee, die wir in der projektwerft diskutiert haben, ist ein System in dem ein Leser z.B. Zehnerkarten für digitale Artikel seines Lieblingsmagazins kaufen kann. Ähnlich den Rabattkarten, die es früher im Schwimmbad gab, gibt es dann eine "digitale" Zehnerkarte mit zehn Pin-Codes, die der Leser für den Kauf von Artikeln einsetzen kann. Und zwar auch über mehrere Wochen oder Monate verteilt, wenn er das will. Schön wäre dabei allerdings auch eine Verlagsübergreifende "LeserKarte".



Für eine Rabattierung könnten entsprechende Staffelungen eingeführt werden: Ich kaufe eine Zehner-, Fünfziger- oder Hunderter-Karte und kann sie per Pin-Codes oder mit einem anderen Transferverfahren für diverse Zeitungs-, Zeitschriften- oder sogar Buchartikel einsetzen.

Wenn so etwas auch noch über Verlagsgrenzen hinweg funktionieren würde, wäre das natürlich noch benutzerfreundlicher. Dafür benötigt man dann allerdings ein unabhängige Verkaufsstelle, bei der die Kunden die "LeserKarte" kaufen und die Verlage die eingelösten Codes wieder in handelsübliche Zahlungsmittel umwandeln können. Vermutlich ist da eine Verlagsinterne Lösung der zunächst einfachere Weg.

Wie würden Leser von digitalen Inhalten wohl zum Beispiel mit einer Gruner + Jahr "LeserKarte" umgehen? Einzelne GEO Artikel digital kaufen? Einen STERN Leitartikel digital kaufen? Ein ELTERN Themen-Dossier digital kaufen? Ein SCHÖNER WOHNEN Einrichtungs-Dossier digital kaufen? Oder darf man doch nur Leser dieser Inhalte werden, wenn man die ganzen Hefte zu kaufen bereit ist?

Das Scheitern von alten Bezahlmodellen
Solange aber noch zwanghaft an alten Abomodellen und dem ausschließlichen Verkauf in Inhaltssammlungen festgehalten wird (damit sind insbesondere Zeitungen, Magazine und Sammelbände gemeint), kann sich nichts verändern und der Trend zur wilden Suche per Google und Co. nach einer alternativen Information bleibt bestehen.

Sicherlich gehöre ich hier wieder zu einer Art Avantgarde, die zwar bereit ist, Geld für gute Inhalte auszugeben – egal ob diese analog oder digital daher kommen – aber nicht mehr bereit ist sich veralteten, scheinbar unsinnigen Bezahlmodellen zu unterwerfen.

Wenn ich gezwungen werde ein Miniabo für einen festgelegten Zeitraum abzuschließen, wenn ich eigentlich nur einen Artikel lesen will, bin ich erstmal weg.

Wie wird das dann erst von den nachwachsenden Generationen wahrgenommen? Was würde wohl Lukas zu den noch üblichen Abomodellen und Heftverkäufen sagen?

Moderne Bezahlkonzepte nutzen oder weiterentwickeln
Eventuell liegt das Problem also eher in den Möglichkeiten der geldwerten Wertschätzung, die Nutzer heutzutage haben, um "digitale" Autorenleistungen im Web zu honorieren.

Noch wichtiger sind jedoch modernere Bezahlkonzepte für Medienplattformen wie iPad, iPhone oder die vielen anderen mobilen Gegenstücke zum "klassischen" Web. Der heftweise Verkauf oder das scheinbare Aufzwingen von Abomodellen ist nicht der richtige Weg, um die Nutzer dazu zu bewegen, Verlags- und Autorenarbeit im Jahr 2013 monetär wertzuschätzen.

Der sinnvolle Einsatz von Micropayment-Konzepten ist gefragt. Und wenn Unternehmen wie Apple diesbezüglich nicht flexibel genug sind, muss ein Verlag nach anderen Wegen suchen, damit eine gewisse Flexibilität bei der Zahlung möglich wird. An dieser Stelle ist dann die Kreativität in Verlagshäusern auf eine ganz andere Art gefordert. Die Kunst des Schreibens und Kommentierens reicht hier nicht.

Den Blick erweitern
Statt also über Veränderungen in der Gesellschaft in einengenden Argumentationsräumen zu debattieren ist es vermutlich sinnvoller, sich die aktuelle "Weltkarte der Medien" anzuschauen und neue Pfade zu den Kunden zu entdecken, sowie diese auszubauen und sich nicht nur auf die alten Handelswege zu verlassen. Bei der Entdeckung und dem Ausbau neuer Handelswege in der fernen Vergangenheit ist man allerdings auch nicht anders zum Erfolg gelangt, als damit, die neuen Routen letztendlich auszuprobieren.

Diese eher bildhafte Metapher, mit in Weltkarten eingezeichneten Handelswegen, soll ein wenig den Blick für mögliche Denkansätze öffnen. Mir erscheint es manchmal sinnvoll, ein paar Jahrzehnte oder Jahrunderte in der Zeit zu reisen, um aktuelle, ausgetretene Gedankengänge zu verlassen.


Wie immer, freue ich mich über Kommentare mit Gegenpositionen und weiteren Anregungen für Lösungsansätze in diesem Themenbereich – die Betonung liegt hier aber deutlich auf LÖSUNGSANSÄTZE ;-)


Anm.: Der Blogeintrag wurde am 19.01.2013 noch etwas erweitert.

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