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Samstag, September 29, 2018

Virtual Reality als Werkzeug fördert kreatives Denken

Seit einigen Jahrzehnten (vielleicht sogar Jahrhunderten oder Jahrtausenden) kommen Themen wie virtuelle Realität oder künstliche Parallel- oder Fantasiewelten auf unterschiedliche Weise immer wieder im öffentlichen Diskurs vor. In der weiter zurückliegenden Vergangenheit wurden diese Begriffe überwiegend in Erzählungen und Kunstwerken zur Beschreibung einer unwirklichen Welt außerhalb der materiellen Wahrnehmung genutzt und hatten dabei nicht selten etwas mit spirituellen Orten außerhalb der haptischen Erfahrung des Raumes zu tun. Nicht nur Alice wandelt im Wunderland quasi durch eine virtuelle Realität, eine unwirkliche Welt der eigenen Vorstellungskraft.

Aktuell ist jedoch insbesondere die computerbasierte Medientechnologie mit speziellen Virtual-Reality-Brillen und Interaktions-Controllern im Fokus der gesellschaftlichen Diskussion, wenn es um das Thema "Virtuelle Realität" geht. Wobei das technische Equipment, wie bei jedem anderen etablierten Trägermedium auch, nur die Grundlage für eine vielfältige Ausprägungen von Inhalten ist.

Seit der letzten größeren Virtual-Reality-Welle, die hauptsächlich in Verkörperung der Internet basierten Plattform "Second Life" in den Jahren nach 2003 in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, hat sich insbesondere mit der Vorstellung der VR-Brille des Unternehmens Oculus VR einiges in dem Segment der technischen Möglichkeiten von VR verändert. Jedoch haftet dem Thema mancherorts immer noch eine Patina der unsinnigen Spielerei oder des nerdhaften an.

In Bezug auf Second Life kann jeder meine Enttäuschung zu den Erfahrungen mit der damaligen Ausprägung einer Social-VR-Plattform hier im Blog nachlesen. Diese in einen 2D-Monitor gezwängte 3D-Welt entsprach nicht meiner Vorstellung von Virtual Reality oder sozialer Interaktion. Das hat sich seit der Verfügbarkeit von nutzbaren VR-Brillen (im Fachjargon auch Headmounted Display oder HMD genannt) deutlich verändert.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Anfangs wurden die neuartigen VR-Brillen eher als Gadgets für die Gamer-Szene beschrieben. Nach und nach hat sich in den vergangenen Jahren aber herumgesprochen, dass mit den neuartigen Brillen sehr viel mehr möglich ist, als "nur Spielerei". Die aktuelle Technologie ist hervorragend für den Einsatz als Werkzeug für verschiedene Anwendungen geeignet. Beispielsweise zur virtuellen Simulation der menschlichen Anatomie in der medizinischen Ausbildung oder im Biologieunterricht, also als Lehrmittel. Auch die Nutzung als Design-Werkzeug ist mittlerweile sehr ausgeprägt und mit vielfältigen Anwendungen auf unterschiedlichste Weise einsatzbereit. Nicht nur das schon sehr populäre Google TiltBrush, mit dem sich hervorragend im dreidimensionalen Raum malen und zeichnen lässt, ist ein mächtiges Werkzeug für die Entwicklung virtueller Kunstwerke. Schon einige Künstler haben mittlerweile, wenigstens temporär, Pinsel und Leinwand gegen ein Virtual-Reality-Equipment eingetauscht und lassen damit fantastische, zuvor unvorstellbare Werke entstehen.

Die Liste der Einsatzbereiche von Virtual Reality als Werkzeug lässt sich noch weit über Konstruktionssimulation, Architektur-Visualisierung, räumliche Datenvisualisierung, Szenografie Planung bis hin zur Unterrichtsunterstützung nahezu jedes aktuellen schulischen Unterrichtsfachs fortsetzen (selbst im Sport- oder Religionsunterricht gäbe es sinnvolle Einsatzmöglichkeiten).

Veränderung des Denkens

Mir persönlich ist in den vergangenen Jahren, seitdem ich im Rahmen der meetVR Veranstaltungen und Virtual Reality Hamburg Meetups der projektwerft mit vielen Menschen einen regen Austausch über das Thema führen kann, eine weitere interessante Sache aufgefallen: Nahezu jede*r neue Nutzer*in eines hochwertigen VR-Setups (damit ist alles auf dem Qualitätsniveau eines Google Cardboards ausgeschlossen) konnte sich nach nur kurzer Zeit des Ausprobierens eine große Vielfalt von Anwendungsoptionen der VR-Technologie vorstellen. Einige waren sogar in der Lage, aus den Erfahrungen in der virtuellen Welt heraus, vollständig neue Ideenansätze für ihre "klassischen" Projekte zu denken.

Dabei ist mir allerdings auch ein weiterer Punkt deutlicher geworden: Besondere der Austausch mit anderen Menschen über die eigene VR-Erfahrungen hilft scheinbar dabei, die möglichen Optionen noch weiter zu denken. Weshalb die Kombination aus VR-Erlebnis und zwischenmenschlichem Austausch sehr wertvoll erscheint und die Nutzung der VR-Technologie, trotz Individualerlebnisses, zu einem sozialen Ereignis expandiert.

Auch wenn ich dafür noch keine Studie als Beleg heranziehen kann, habe ich persönlich die Hypothese entwickelt, dass die kreative Nutzung der VR-Technologie auch das kreative, konzeptionelle Denken und Agieren in der materiellen Welt fördern oder erweitern kann. Auch oder insbesondere für Menschen, die sich bisher nicht als besonders kreativ bezeichnen würden. Die Möglichkeiten des Denken in einem multidimensionalen Raum, in dem sogar die Gesetze der Physik durch Simulationen veränderbar sind und neuartige, "unmögliche" Szenarien virtuell umsetzbar sind, können auch Gedankenexperimente oder Konzeptideen in unserer materiellen Welt positiv beeinflussen. Dies gilt nicht nur für Designarbeiten, Unterrichtsunterstützung oder die Begleitung von Therapien, sondern auch für die Vermittlung von gesellschaftlich relevanten Themen wie Toleranz, Schutz von Vielfalt, Bewahrung der Natur u.v.m..

Virtual Reality Technologie ist schon lange deutlich mehr als nur eine Spielerei, sie ist ein mächtiges neues Werkzeug zur Weiterentwicklung von Ideen nahezu jeglicher Art. Aber ähnlich wie bei den Einführungen vorheriger Medientechnologien (u.a. Buchdruck, Telefon oder Internet) brauchen die Menschen Zeit, um die Herausforderungen wie auch die Möglichkeiten einer solchen Technologie selbst zu testen, kritisch zu bewerten und konstruktiv zu diskutieren. Die Zeit sollte man auch der Etablierung dieser Technologie geben. Ich persönlich glaube, es lohnt sich, möglichst vielen Menschen den Zugang zum Wunderland zu ermöglichen und dabei insbesondere der Kreativität unendlichen Raum zu verschaffen.

Freitag, April 29, 2016

NGO Blended Learning – Kleine Bildungsrevolution?!

In dem Artikel "Sie ändern alles#", der aktuell in der ZEIT (NR. 19 / 2016) erschienen ist, wird ein interessantes neues Start-Up Projekt im Bereich Bildung beschrieben.

Bei der NGO-Unternehmung Kiron geht es, einfach beschrieben, um einen vereinfachten Zugang zu höherer Bildung durch die Umgehung von klassischen, bürokratischen Barrieren. Das aktuelle Angebot richtet sich speziell an Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und mit Hilfe von Kiron die Möglichkeit einer höheren Weiterbildung erhalten sollen. Das angewendete Konzept des "Blended Learning" (einer Kombination aus Online- und Offline-Studium) wird hier für die Vorbereitung eines regulären Studienabschluss angewendet. Dieser Ansatz wäre grundsätzlich auch für alle Bildungsinteressierten weltweit anwendbar.

Da das Lernen über Kiron durch eine Bildungskooperation mit verschiedenen Universitäten ermöglicht wird und die Inhalte von überall auf der Welt per Smartphone und Internet-Verbindung nutzbar sind, kann dieses Projekt für die weltweite Verbreitung neuer Denkansätze in Bezug auf neue Werkzeuge in Bildungssystemen sorgen.

Wenn es möglich wird, dass selbst aus einem Flüchtlingslager in einem fremden Land heraus (also mit ganz geringen Mitteln) ein Schritt zur höheren Bildung ermöglicht wird, dann sollte dies in Zukunft nahezu überall möglich sein. Dies würde dann möglich, wenn wir die mit dieser Art von Demokratisierung verbundenen Veränderungen als Chancen verstehen und nicht als Gefahr.

Die weitere Entwicklung dieser Unternehmung wird für alle Menschen, die sich mit neuen Bildungsoptionen und Veränderungen in unseren modernen Gesellschaftssystemen beschäftigen, spannend sein.

Mehr Infos zu diesem Bildungsprojekt:

Donnerstag, März 05, 2015

Lernen 2030 - Eine neuartige Lernbegleitung?

Ein Weg zur Vision für 2030 - Bildung in der Zukunft

In der letzten Woche hatte ich ein Wechselbad der Eindrücke zwischen Social Media Week (Hamburg) und Didacta (Hannover) von dem ich noch etwas irritiert bin, insbesondere aufgrund der zum Teil sehr unterschiedlichen Eindrücke. Vielleicht wird man diese leichte Konfusion auch in dem folgenden Artikel wiederfinden. Mir ging es in der vergangenen Woche insbesondere darum, Veränderungstendenzen in Bezug auf die Optimierung der Lernbegleitung und der Nutzung moderner Medien aufzuspüren. Dies ist mir zum Teil gelungen. Die wichtigste Beobachtung für mich war, dass scheinbar kein Akteur im Bildungssystem wirklich zufrieden mit dem aktuellen Zustand zu sein scheint und viele nach neuen Lösungen und Ansätzen suchen.

Nach meinen vorausgegangenen Ankündigungen auf eine mögliche Vision für die Lernoptionen bzw. die Bildung im Jahr 2030 wird es nun Zeit, meine Erwartungen an jetzige und zukünftige Lernbegleiter festzuhalten und einen Ausblick auf eine mögliche Zukunft der Lernmedien zu wagen. Denn ich glaube, dass die Lernbegleiter eine entscheidende Funktion innerhalb eines jeden Bildungssystems einnehmen.


Illustration: AI Dozent und andere digitale Medien in den Medienwolken von Mia im Jahr 2030
AI Dozent und andere "Neue" Medien in den Medienwolken von Mia 2030

Eine neue Definition von Lernbegleitern
Mit Lernbegleitern meine ich übrigens nicht nur “professionell geschulte Personen”, wie Lehrer, auf die dieser Begriff häufig Anwendung findet. Ich erweitere diese Gruppe sehr bewusst. Auf alle jungen oder älteren Menschen, die mit ihren Erfahrungen dabei helfen können, anderen lernbereiten Menschen (jung oder alt) bei der Entschlüsselung der Komplexität unserer Welt zu helfen und sie dabei unterstützen, positive Werte und Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei muss die Person nicht zwingend eine professionelle Ausbildung als Lehrer absolviert haben.

In die Zukunft gedacht, sehe ich neben allen menschlichen Lernbegleitern auch alle nicht humanoiden, artifiziellen Unterstützer als Teil der Gesamtgruppe von Lernbegleitern. Dies können dann e-Tutoren oder e-Coaches auf Grundlage von AI (Artificial Intelligence) sein (siehe unten).

Da ich behaupte, dass Lehrer, Eltern, Großeltern, alle sonstigen Verwandten und Freunde nichts anderes sind, als (oft) hilfreiche, sehr individuelle Medien, die bei der positiven Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen helfen können, kann ich diese Gruppe der Lernbegleiter also problemlos durch andere Medien erweitern. Womit ich die Verantwortung für die Entwicklung von Menschen quasi in die Verantwortung von allen lege, die Inhalte unterschiedlichster Art bereitstellen, sich in Lernprozesse einmischen und optimaler Weise an einer positiven Zukunft für die Menschheit interessiert sind.

Ist das zu einfach gedacht? Ich glaube nicht.

Meine Wunschliste für eine zukünftige Lernunterstützung
Ich wünsche mir eine Zukunft, in der das derzeit etablierte Bildungssystem vollständig überprüft und umgewandelt wird – transformiert in ein System, das positive Entwicklungen für alle Menschen begünstigt. Ein neuartiges System, in dem keinem einzelnen Lehrer mehr Entscheidungen über die Vermittlung von bestimmten Fähigkeiten zum Zeitpunkt X in die Verantwortung übergeben werden, sondern einem verbundenen Netzwerk an Lernbegleitern, die individuell unterstützen können.

Ich wünsche mir eine Bildung, die bei der natürlichen Neugier der Kinder ansetzt und diese begünstigt, statt sie zu begrenzen. Eine Bildung, bei der Kinder, Jugendliche und begleitende Erwachsene gemeinsam die Lern- und Experimentierwerkzeuge für die Weiterentwicklung definieren, erstellen und nutzen.

Ich wünsche mir ein neuartiges System, in dem ein Mensch individuell gefördert wird, angepasst an die individuelle Geschwindigkeit, die Ausprägung von Talenten und an individuelle Entwicklungswünsche. Ein ganzheitliches System, das dabei ebenso die individuellen Stimmungen, die günstigen und ungünstigen Lernsituationen berücksichtigt.

Ich wünsche mir ein System, in dem Kindern und Jugendlichen Zeit gegeben wird, Ihre persönlichen Fähigkeiten zu finden und diese zu entwickeln.

Dieses System kann aber nicht von Menschen allein geleitet oder begleitet werden. Es benötigt eine höhere, deutlich intelligentere, empathischere Einheit – oder besser gesagt: ein sich weiter entwickelndes Gebilde, welches verschiedene (manchmal gegensätzliche) Ansatzpunkte berücksichtigen kann und nicht immer wieder bei Null starten muss sobald ein Akteur mit seinem Wissen, seinen Fähigkeiten und seinen Erfahrungen ausscheidet. Es sollte ein lernendes System sein, das als Unterstützer und Förderer agiert, ohne die Einschränkungen durch egoistische Absichten Einzelner (die wir Menschen nunmal als Individuen entwickelt haben und selbst über Jahrtausende der zivilisatorischen Entwicklung nicht ablegen können). Es müsste ein offenes System sein, in dem die positive Entwicklung der Menschen ganz deutlich über die wirtschaftlichen Interessen einzelner Personen oder von Interessengruppen gestellt wird.

Ein solches System müsste weiterhin als gesellschaftlicher Auftrag von der Gemeinschaft der Bürger eines Landes getragen werden. Letztendlich könnten aber alle Bürger von einem solchen System profitieren, da es nicht nur bestimmten Personen- oder Altersgruppen (Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Auszubildende, Studierende, Lehrende etc.) vorbehalten wäre.

Auf dem Weg zu neuen Optionen
Ich glaube, das perfekte Lern- und Coachingsystem für die Zukunft der lebenslangen "Bildung" oder besser formuliert "Entwicklung" ist eine Kombination aus artifiziell intelligentem (Computer)System gepaart mit weltweiten, global und interdisziplinär denkenden und agierenden Gruppen aus menschlichen Lernförderern mit unterschiedlichen Fach-Qualifikationen und mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen.

Dies umzusetzen ist keine leichte Aufgabe, aber wir sind genau genommen schon mittendrin in dieser Entwicklung. Viele der notwendigen “Zutaten” für ein neues Bildungssystem sind schon ausgebildet vorhanden, einige stecken noch in den sprichwörtlichen Kinderschuhen. Die Struktur des Systems muss aber grundsätzlich neu aufgesetzt werden und dabei müssen die Rollen der Akteure neu definiert werden.

Wir sollten neue Prozesse und Werkzeuge definieren, die flexibel und anpassungsfähig genug sind um die Entwicklung von Fähigkeiten zu begünstigen. Es sollten Verantwortlichkeiten neu verteilt werden, wobei die Anpassungsfähigkeit des Menschen genutzt werden kann. Eine Fähigkeit die unsere Spezies schon über tausende von Jahren als Teil ihrer evolutionären Weiterentwicklung bewiesen hat.
Grundsätzlich sollten wir uns in diesem Zusammenhang eine Frage stellen: Wenn wir nicht diejenigen sind, die unsere Zukunft gestalten, wer ist es dann?
Selbst etablierte, schwerfällige Bildungsapparate werden diese Entwicklung nicht aufhalten. Einige dieser Gebilde werden selbstständig, aktiv an dieser Veränderung teilhaben. Andere werden sich vermutlich gezwungener Weise transformieren oder an Relevanz verlieren. Jeder Einzelne, der diese Veränderung vorantreibt indem er entsprechend agiert und neuartige Optionen nutzt, wird Teil der Transformation sein.

Die Entwicklung von Fähigkeiten fördern und Werte vermitteln
Die Verantwortung für die Entwicklung von lebensfähigen und mit guten Perspektiven ausgestatteten jungen Menschen ist definitiv nicht nur ein Thema für staatliche, offizielle und professionelle Organe. Es ist ein Thema, das uns alle betrifft und in das wir alle eingebunden sind. Egal, ob wir uns dessen bewusst sind, ob wir das so wollen oder nicht. Jeder Mensch ist mit seinen Äußerung und Handlungen letztendlich auch ein Medium – ein Bildungsmedium, ein Entwicklungsmedium, ein Vorbild.

Als erste schwere Übung werden wir uns vom Begriff der Allgemeinbildung im Sinne eines etablierten Bildungskanons lösen müssen. Bestimmtes Wissen als relevant zu bezeichnen und anderes Wissen als weniger relevant, ist eine Aufgabe, die vermutlich kein Individuum, auch keine Gruppe von Menschen wirklich bewältigen kann. Dafür ist das (permanent wachsende) Weltwissen mittlerweile zu umfangreich, zu stark ausdifferenziert und zudem regional unterschiedlich relevant – und ungünstiger Weise in vielen Bereichen diskussionswürdig oder nur mäßig bestimmt. Stattdessen müssen wir die Entwicklung von Fähigkeiten begünstigen, die ein selbstständiges Erarbeiten von individuell relevantem Wissen ermöglicht. Das soll nicht bedeuten, dass keine Grundlagen aus verschiedenen Themenbereichen vermittelt werden sollten. Es sollten aber Grundlagen bleiben, die individuell entwickelt werden können.

Ob die spezielle Kenntnis vom Inhalt und den Interpretationsmöglichkeiten von Goethes “Faust” weltweit relevant ist, kann ebenso vortrefflich diskutiert werden, wie die Notwendigkeit des Erlernens von höherer Mathematik oder von Molekularbiologie.

Für wirklich wichtig halte ich heutzutage die Unterstützung der Ausbildung von grundlegenden "Fähigkeiten" wie:
  • Lesen und Schreiben (bzw. deuten und verwenden von Zeichen)
  • Rechnen (Arithmetik)
  • Kommunikationskompetenz
  • Medienkompetenz (mit deutlicher Abgrenzung zu Technikkompetenz)
  • Diskussion und Interpretation historischer Ereignisse
  • Diskussion und Interpretation wissenschaftlicher Erkenntnisse
  • Weiterentwicklung von Ideen
  • Selbstständiges Lernen
  • Teamwork
  • Problemlösungskompetenz
  • Empathie
  • Kritikfähigkeit
  • Selbstbewusstsein und -reflexion
  • Bewusstes Handeln
  • Objektivität
und insbesondere von "Werten" wie sie in der "Erklärung der Menschenpflichten" bzw. "A Universal Declaration of Human Responsibilities" zusammengefasst sind:
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Achtung vor dem Leben
  • Gerechtigkeit
  • Solidarität
  • Fairness
  • Wahrhaftigkeit
  • Toleranz
  • Meinungsfreiheit
  • Gegenseitige Achtung
  • Wertschätzung
Aktuelle Entwicklungen mit viel Potential
Wir werden in Zukunft zunehmend offene MOOCs (Massive Open Online Course) zur Verfügung haben. Mit diesen Hilfsmitteln könnten sich beispielsweise junge, thematisch interessierte und engagierte Schülerin und Schüler, aber auch Erwachsene jeden Alters, universitär fortbilden. Wir werden intensive Interessen- und Lernfreundschaften über Altersklassen und Generationen hinweg finden. Wir können über OER (Open Educational Resources) einen Austausch von Lernmitteln auf internationaler Ebene kultivieren. Wir werden als junge oder ältere Menschen in Barcamps und in offenen Werkstätten jeglicher Art Fähigkeiten weiter entwickeln und uns über Meetups mit ähnlich interessierten, uns noch unbekannten Menschen in virtuellen oder real existierenden Räumen austauschen können. Wir werden neuartige Entwicklungen von kooperativem Arbeiten entdecken und neue Lern- und Arbeitsräume entstehen lassen.

Es wird vermehrt entscheidende Personen in Unternehmen geben, die Potentiale in Menschen sehen und fördern, unabhängig von einem linearen Lebenslauf oder sehr gutem Notendurchschnitt. Diese werden in Unternehmen oder Institutionen sitzen, denen thematisch begeisterte und in der Projektarbeit erprobte Mitarbeiter wichtig sind. Viele der Berufe, für die sich Schüler von heute in ein paar Jahren bewerben werden, existieren heute noch nicht. Sie werden erst entstehen und von Menschen ausgefüllt, die gelernt haben, Neues entstehen zu lassen und mit sinnvollen Tätigkeiten zu füllen.

Viele dieser Bewegungen sind in den vergangenen Jahren entstanden und werden weitere Ausprägungen erhalten. Sie werden das Bildungssystem, wie wir es heute noch überwiegend erleben, aus den Angeln heben und es nachhaltig verändern.

Die Veränderungen werden vermutlich harte Auswirkungen für diejenigen haben, die sich bequem und entwicklungshemmend in dem bisherigen System breit gemacht haben und versuchen ihre Bereiche vor Eindringlingen und vor einer Welle der Demokratisierung zu schützen – aber bei einer globalen Bewegung werden sie sich nicht vor der Veränderung schützen können.

Für alle, die eine Chance für eine positive Zukunft in diesen Veränderungen sehen, wird es eine Zeit geben, in der ihre Talente und ihr Engagement zu (hoffentlich) positiven Einflüssen führen wird. Sie werden Durchhaltevermögen beweisen müssen, aber das ist das Los der Avantgarde, der kreativen Spinner, der Vordenker, der Querdenker, derjenigen, die von einer besseren Zukunft träumen und dafür eintreten. Sie werden diejenigen sein, die Veränderungen bewirken. Sie werden die Welt verändern (frei nach Steve Jobs).

Seien wir also alle positive Lernbegleiter und Förderer von Potentialentfaltung, mit allen modernen, technischen Hilfsmitteln und Vernetzungen, die uns dafür zur Verfügung stehen. Dann wird das Bildungssystem im Jahr 2030, im Vergleich zum Jahr 2015 ein grundsätzlich besseres sein.

Eine Vision für Lernbegleitung in der Zukunft im Jahr 2030
“We always overestimate the change that will occur in the next two years and underestimate the change that will occur in the next ten. Don't let yourself be lulled into inaction.” William „Bill“ Henry Gates III (*1955)
Zum Abschluss und als Ausblick mache ich noch einen gewagten Schritt nach vorne und ergänze die aktuellen und zeitnahen Bewegungen im Bildungssektor mit drei Entwicklungen aus naheliegenden Disziplinen:
  • Semantische Netzwerke (z.B. sinnvolle Verknüpfung von Inhalten)
  • Kybernetik (z.B. biotechnologische Sensorik)
  • Gehirnforschung (z.B. Computer basierte Simulation des menschlichen Gehirns)
Diese drei Bereiche kombiniere ich nun und wende sie auf eine mögliche technologische Entwicklung in den kommenden 15 Jahren in Bezug auf Lernbegleitung an. Dabei kann das folgende skizzierte Szenario entstehen:
Wenn es in den kommenden Jahren möglich sein sollte, dass Lernprozesse mit Hilfe von sensorisch angereicherten, semantisch verknüpften Computersystemen begleitet, analysiert und individuell gefördert werden können, sind die Lernbegleiter der Zukunft insbesondere künstlich intelligente Werkzeuge. Werkzeuge, die in vielfältigen Ausprägungen individuelle Lernimpulse geben können und über entsprechende Sensoren erfassen können, ob sich der Lernende gerade in einer günstigen Lernsituation befindet und ob er neue Information verarbeitet, Verknüpfungen schafft und kreativ aktiv ist oder nicht. Diese Systeme werden möglicherweise sogar in der Lage sein, passende Methoden und Übungen zu entwickeln, die dem jeweiligen Individuum beim Erlernen von neuen Fähigkeiten helfen. Diese Werkzeuge werden hochkomplexe, individualisierte Systeme sein, mit einem Potential, welches wir uns heute nicht annähernd vorstellen können.

Die Aufgaben der menschlichen Lernbegleiter werden sich noch stärker weg von der Wissensvermittlung in Richtung Entwicklungsbegleitung und menschliche Wertevermittlung bewegen. Sie werden insbesondere Bezugs- und Entwicklungspartner für die Lernenden sein.

Es wird neue virtuelle und reale Lernräume geben, die mit heutigen Klassenzimmern, Vorlesungssälen oder Seminarräumen nur noch sehr wenig gemeinsam haben.

Eventuell wird es in Zukunft nicht nur ein quasi-standardisiertes Bildungssystem geben, sondern eine große Vielfalt von alternativen Bildungsmöglichkeiten, die individuell nutzbar sind.


Eine detailliertere Beschreibung der Optionen und Herausforderungen, die sich aus der Bereitstellung solcher Werkzeuge ableiten lassen, überlasse ich einem zukünftigen Blogpost. Hier lässt sich aber vorzüglich die Diskussion über die Demokratisierungsoptionen und die Herausforderungen der Infrastruktur Internet und der darauf basierenden Dienste erweitern.
“The best way to predict the future is to invent it.” Alan Curtis Kay (*1940), Informatiker

Links zum Thema:
Online-Kurs “Meine Schule transformieren – Ein Reiseführer”
Massachusetts Institute of Technology (english) 

Donnerstag, März 27, 2014

Lernen & Bildung – Die Zukunftsthemen


Während in den letzten Wochen viele Besucher des SXSW Festivals in Austin (USA) ein paar neue Ideen zur Kommunikation und Lebensgestaltung der Zukunft entdecken konnten (ein Stichwort: "Wearables"), haben wir in Hamburg u.a. über die möglichen Bildungssysteme der Zukunft nachgedacht.

Als wir im letzten Jahr die Projektskizzen zur "Vision 2030" herausgegeben haben, war uns schon bewusst, dass sich bis ins Jahr 2030 einiges verändern wird. Allerdings haben die Diskussionen, die wir in der Zwischenzeit zu den potentiell möglichen Bildungssystemen im Jahr 2030 geführt haben, einige grundlegende Fragen aufgeworfen, die eine Veröffentlichung von Alltags-Szenarien zu Mia hinauszögern.

Die wichtigsten Fragen, die wir uns derzeit stellen, kreisen rund um die Themen "Individuelle Bildungsoptionen" und "Optimierung von staatlichen Bildungssystemen" und "Wann und wie lernen wir eigentlich?".

Ob Mia noch Studentin im klassischen Sinne sein wird, ist derzeit stark anzuzweifeln. Unsere Überlegungen diesbezüglich haben sich daher zu einer Art Grundlagenforschung rund ums Lernen und die Entwicklung von Fähigkeiten gewandelt. Die Projektbaustellen sind auf jeden Fall sehr spannend und mit vielen Recherchen und (überwiegend) konstruktiven Diskussionen verbunden.

Da wir aber noch eine Weile für die Ausarbeitung unserer Thesen und Szenarien benötigen werden, bitte ich alle die Leser, die auf einen Blogeintrag mit möglichen Szenarien zur Medienrealität im Jahr 2030 warten, um Geduld.

Hinweis:
Einen neuer Beitrag zum Thema "Vision 2030" ist am 05.06.2015 erschienen: Lernen 2030 - Eine neuartige Lernbegleitung?

Weitere Verlinkungen:
Allen Trendscouts sei eine Webseite von ARTE empfohlen: Futuremag. Hier sind immer wieder spannende Beiträge zu aktuellen Entwicklungen zu finden, die Auswirkungen auf unsere Kommunikation der Zukunft haben können: www.futuremag.de

Dienstag, September 17, 2013

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Das erste K2020 Impulsbuch


Screenshot vom K2020 Impulsbuch "Medienwolken 1960 – 2020" im iBookstore
Da ich in den vergangenen Jahren häufig nach Hintergrundinformationen zu dem Medienwolken-Kategoriensystem und den Stellvertreter-Illustrationen gefragt wurde, hat die projektwerft nun ein digitales Impulsbuch zu diesem Thema mit dem Titel "Medienwolken 1960 – 2020" veröffentlicht.

Dieses K2020 Impulsbuch ist insbesondere für Menschen gedacht, die sich mit dem Medienwolken-Ansatz und den Veränderungen in unseren modernen Informationsgesellschaften auseinandersetzen wollen. Es enthält neben anderem Material die erwähnten Illustrationen mit Kurzszenarien zu den Studenten-Stellvertretern der Jahre 1960 – 2020.

Zunächst haben wir eine eBook-Version erstellt, die zu günstigen Konditionen für die private Nutzung exklusiv im iBookstore und für das iPad und den Mac (ab OS 10.9) erhältlich ist.

Für Berater und Unternehmen können wir auch erweiterte Nutzungsrechte für eine gewerbliche Nutzung des "Medienwolken 1960 – 2020" eBooks vergeben. Falls Sie Interesse daran haben, kontaktieren Sie mich bitte über info(at)projektwerft.de (Stichworte: Nutzungsrechte Medienwolken Impulsbuch). 

Sonntag, Juni 09, 2013

Facebook als Recherche-Medium


Aus aktuellem Anlass will ich hier einmal auf unsere Facebook-Chronik als Recherche-Medium verweisen. Da sind insbesondere für Schüler, Studenten und Lehrer einige hilfreiche Einträge zu finden (die ich hier nicht poste). Wenn Ihr eingeloggt seid, können zusätzlich zu den letzten Einträgen alle Jahrzehnte Studenten (Medienwolken von 1960, 1970 etc. bis zur Vision 2020) in der Chronik aufgerufen werden.

Wenn Euch die Illustrationen der Medienwolken gefallen, dann freue ich mich über ein "gefällt mir".



Bild: Die 1960er Medienwolken-Illustration aus unserer Facebook-Chronik


Donnerstag, September 06, 2012

Frösche, heißes Wasser und Medienkompetenz

Es gibt eine alte Forscher-Anekdote, die ein Experiment mit Fröschen beschreibt. So soll es so sein, dass Frösche, die in einem Wasserbad sitzen, welches spontan erhitzt wird, sofort aus dem Wasser springen. Frösche, die jedoch in einem Wasserbad sitzen, das sehr langsam erhitzt wird, bleiben so lange im Wasser sitzen bis sie zu Tode gekocht sind – sie bewegen sich nicht aus dem Wasser bis es zu spät ist.

Nun habe ich dieses Experiment noch nie selbst durchgeführt und im Web existieren durchaus Meinungen, die diese Behauptungen für nicht stimmig halten. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass die Beschreibung des Experimentverlaufs einen wahren Kern hat und daher als Metapher durchaus geeignet ist.

"Information Overload"?

Bei der Betrachtung von einigen aktuellen, deutschsprachigen Publikationen zu den Themen "Internet" und "Neue Medien" könnte man den Eindruck bekommen, als wenn wir uns in unserer modernen Informationsgesellschaft im Bezug auf den viel beschriebenen "Information Overload" wie die Frösche im langsamen Erhitzungsbad verhalten: Unsere Aufmerksamkeit könnte bald zerkocht sein und wir haben es nicht einmal gemerkt, weil es so "langsam" passierte.

Aber ist das tatsächlich so? Eigentlich wird das Wasser gerade nicht langsam erhitzt, sondern die Temperatur sprunghaft von 20°C auf 50°C hochgedreht. Wir müssten also massenweise aus dem Wasser springen - also z.B. das Web mit seinen unendlich vielen und dispersen Infoquellen verlassen. Warum passiert das nicht?

Oder ist es vielleicht vielmehr so, dass nur die negativen Nachrichten und eine Art Panikmache in Bezug auf unkontrollierte Mediennutzung für Aufmerksamkeit sorgen, während die Geschichten über Menschen, die (moderne) Medien funktional und sinnvoll einsetzen, keinerlei Publikation oder Diskussion wert sind.

Internet-basierte Medien

Häufig wird bei der Kritik an der Nutzung des Internets ebenfalls vergessen, dass wir hier von einer Vielzahl sehr unterschiedlicher Medien sprechen und nicht nur von einem einzigen Medium.

"Das Internet" bzw. "das Web" ist nur eine technische Infrastruktur, die eine Nutzung von verschiedenen digitalen Medien ermöglicht, ist also nur ein moderner Medienträger, der vielfältig genutzt werden kann. Ein Vergleich der technischen Plattform "Internet" mit dem Offsetdruck ist vermutlich ganz passend, da es sich bei dem Druckverfahren auch um eine Art Infrastruktur zur Erstellung von Medien (Buch, Zeitung, Plakat etc.) handelt.

Sinnvolle Diskussionen?

Eine Diskussion über die Nutzung moderner Medien ist sicherlich nicht falsch. Denn alles, was mit den digitalen, webbasierten Medien zu tun hat, ist noch lange nicht 100%-ig etabliert – auch wenn dies für einige von uns so scheinen mag. Selbst über die Nutzung von E-Mails (dem derzeit am häufigsten genutzten Internet-basierten Medium) wird noch diskutiert, was man von einem handgeschriebenen Brief wohl nicht mehr behaupten kann.

Die Diskussionen über einen gefährlichen "Information Overload" oder eine extreme Nutzung von Medien sind auch nicht ganz unbegründet. So viele revolutionäre Veränderungen im Informations-, Kommunikations- und Medienbereich, wie in den letzten zwei Jahrzehnten, gab es noch in keiner Lebenszeit vergangener Generationen. Kein heute lebender Mensch kann mehr alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen auch nur ansatzweise aufnehmen, geschweige denn wirklich verarbeiten.

In der heutigen Zeit zählt insbesondere die gekonnte Selektion, Priorisierung und das Ausblenden von Informationen und Inhalten. Bei so vielen unterschiedlichen und sich permanent entwickelnden Informationen, Erkenntnissen und Meinungen ist dies durchaus eine Herausforderung für Menschen jeden Alters.

Die scheinbar größte Herausforderung ist allerdings die Definition von gemeinsamen Grundlagen für Wissen, Bildung und Ideologien – und eben deren Selektion und Priorisierung. Denn so individuell wir alle auch sind, wollen wir doch immer wieder Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen teilen. Der Informations- und Wissenpool, der uns global zur Verfügung steht, ist allerdings schon lange nicht mehr überschaubar und taugt daher auch nicht mehr für eine Definition von "Allgemeinbildung" oder "normalen Fertigkeiten".

Da heutzutage nahezu jede Studie und jede Erkenntnis (zum Teil durchaus berechtigt) in Frage gestellt werden kann, ist es wichtig die Prozesse der individuellen Selektion von Informationen und der daraus resultierenden individuellen Meinungsbildung zu erlernen. Somit wird zumindest eine Grundlage für sinnvolle Diskussionen geschaffen, die nicht auf Rechthaberei basieren, sondern in denen verschiedene Standpunkte erörtert werden, mit dem Ziel gemeinsam neue Optionen und Erkenntnisse zu erzielen oder Problemlösungen zu entwickeln.

Kann man passendes Selektieren aber überhaupt lernen? Wie funktioniert das, wenn jeder Mensch eine andere Kombination aus Quellen nutzt und es kein Rezeptbuch für "richtiges" Selektieren gibt?

Flexible Unterstützung vs. feste Regeln

Wie jüngere Publikationen und Diskussionen im TV oder in Online-Medien vermuten lassen, arbeiten einige "gebildete" Autoren bzw. Diskussionsteilnehmer momentan darauf hin, dass gesetzliche Schranken aufgebaut werden sollen, die einen schädlichen Umgang mit neuen Medien verhindern sollen. Aber sind feste Regeln oder Verbote bei der Bildung von Medienkompetenz wirklich hilfreich?

Meine Erwartungen an alle "gebildeten" Menschen ist eher, dass sie andere Menschen, egal welchen Alters, bei der Entwicklung von Selektions- und Nutzungsprozessen unterstützen. Statt nach Verboten zu rufen, sollten sich meines Erachtens nach vielmehr die Rufe nach einer frühzeitigen Auseinandersetzung mit Medien jeglicher Art verstärken. Dabei sollten gedruckte Werke, Theateraufführungen und TV-Sendungen mit dem gleichen kritischen Blick betrachtet werden wie die noch sehr jungen digitalen Medien.

Wie in nahezu allen Lebensbereichen sind wir Menschen recht unterschiedlich in unserer Lernfähigkeit und benötigen zu unterschiedlichen Zeiten Unterstützung bei der Entwicklung neuer Fähigkeiten. Häufig genug können wir uns nicht einmal aussuchen, wann wir eine Fähigkeit erlernen, da dies von vielen äußeren Einflüssen abhängig ist. Dies sollte insbesondere bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt werden.

Bei der Entwicklung von Medienkompetenz und insbesondere der Fähigkeiten zur Selektion und Zuordnung von Informationen sind daher gute, verantwortungsbewusste Beobachter und Unterstützer gefragt. Solche Menschen (egal ob Elternteil, Erzieher, Lehrer, Freund oder Coach), die Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zur Seite stehen und noch weit vor dem Fall einer drohenden Überforderung sinnvolle Alternativen und Perspektiven anbieten können. Und dies nicht nur in Bezug auf die Nutzung von (neuen) Medien. Die Unterstützer sollten allerdings auch bereit sein, sich mit den neuen Inhalten und Herausforderungen wirklich auseinanderzusetzen. Veraltete Wertesysteme sind insbesondere im Fall der Ausbildung von Medienkompetenz fehl am Platz.

Sensoren für das heiße Wasser

Was nun die Metapher mit den Fröschen betrifft, gilt wohl, dass wir alle möglichst frühzeitig ein Gefühl für "Temperaturveränderungen" entwickeln sollten. Mit so einer Fähigkeit ausgestattet, könnten wir vermutlich schneller spüren, wann es zu heiß wird und wir unsere Informationsquellen (egal ob gedrucktes Buch, Online-News oder Facebook via Smartphone) zur Seite legen oder abschalten sollten, um wieder etwas abkühlen zu können ...

Hinweis: Der Artikel wurde am 02.03.2015 leicht überarbeitet.

Dienstag, Juli 10, 2012

Medienwolken als Lehrmaterial

Eine der Leser-Anfragen in den vergangenen Monaten hat uns besonders gefreut. Ich wurde gebeten, die Medienwolken-Grafik für ein Schul-Lehrbuch zur Verfügung zu stellen, welches insbesondere zur Erarbeitung von Medienkompetenz genutzt werden soll.

Abbildung – Lehrbuch: KombiKOMPAKT – Ausgabe N – Deutsch in der Oberstufe
Diese weitere Veröffentlichung unserer Kommunikation 2020 Projektergebnisse hat die projektwerft gerne unterstützt. Wie dem regelmäßigen Besucher dieses Blogs sicherlich aufgefallen ist, geht es mir und uns ja nicht nur um die Erweiterung von Medien- und Kommunikationskompetenz bei Erwachsenen, sondern insbesondere um den bewußten Umgang mit Medien und deren Entwicklung über alle Altersegmente hinweg.

Das Schulbuch "KombiKOMPAKT – Ausgabe N – Deutsch in der Oberstufe" des C.C. Buchners Verlags ist nun veröffentlicht worden und die darin behandelten Themen bieten auch einiges an "Nachhilfe-Stoff" für Medien-Interessierte, die dem schulpflichtigen Alter schon lange entwachsen sind. Somit kann es vermutlich auch ein perfektes Lehrbuch für die Erwachsenen-Weiterbildung in Bezug auf Medienkompetenz sein.

Nachtrag:
Das Lehrbuch hat im Jahr 2013 den Titel "Schulbuch des Jahres 2013" verliehen bekommen. Wir finden die Inhalte auch sehr nützlich. Daher auch einen herzlichen Glückwunsch an das Redaktionsteam und ein Dankschön dafür, dass wir einen ganz kleinen Teil dieser prämierten Inhalte beisteuern konnten.

Dienstag, Juni 26, 2012

Von der Lese-/Schreibkultur zurück zur Sprachkultur?

Vor einigen Jahrhunderten war in vielen Gesellschaften nur eine sehr kleine Gruppe der Bevölkerung in der Lage lesen und schreiben zu können. Geschichten und Neuigkeiten wurden in der Regel eher von Mensch zu Mensch per Sprache übermittelt. Redner oder Erzähler an Kaminfeuern, auf Versammlungsplätzen oder in Theatern waren die Übermittler von Überlieferungen und Informationen.

Der Weg zur Lese-/Schreibkultur
Durch den Buchdruck und die gesellschaftlichen Veränderungen, die diese Technologie begleiteten, hat sich die menschliche Welt in weiten Teilen zu unserer modernen, globalen Zivilisation entwickelt. Es hat insbesondere in den industrialisierten Regionen der Erde eine vollständige Umorientierung in Bezug auf die alltägliche Weitergabe von Geschichten und Informationen stattgefunden. Wir sind über Jahrhunderte hinweg zu Gesellschaften mit einer starkt ausgeprägten Lese- und Schreibkultur geworden. Letztendlich war geschriebenes Wort auf Papier ein ideales Mittel, um Informationen jeglicher Art über Generationen hinweg und vervielfacht verfügbar zu machen.

Da die Darstellung von Geschichten als Bildform sehr lange Zeit (und zum Teil noch heute) als in der Produktion zu aufwendig und im Druck zu kostspielig galt und gilt, wurde und wird überwiegend auf einfache Buchstaben als Informationstransfer-Code zurückgegriffen. Geschriebenes Wort zählt in vielen Fällen mehr als das gesprochene Wort. Es gibt viele Menschen, die auf Papier geschriebenen oder gedruckten Worten mehr vertrauen, als den gleichen Worten in gesprochener Form. Vielleicht weil das Gesprochene so flüchtig ist und man die Information auf Papier immer wieder "überprüfen" kann.

Das ginge schon seit Jahren auch anders. Aber moderne Informationstechnologien zur Geschichten- und Informationsdarstellung, wie Audio- und Videoaufnahmen haben in weiten Kreisen der Gesellschaft noch nicht die seriöse Etablierung gefunden, wie das geschriebene Wort. Die Industrien, die sich um das gedruckte Wort etabliert haben, kämpfen auch mit vielen Mitteln dafür, dass dies so bleibt und sie nicht an Bedeutung verlieren. Das tun sie aber dennoch – eine Veränderung findet auch dann statt, wenn man es nicht wahrhaben will.

Die Verdrängung oder Verleugnung von Veränderungstendenzen ist sicherlich ein Phänomen, welches Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen ebenso verschieden beschreiben und erklären können. Darauf werde ich hier nicht weiter eingehen.

Die neue Lese- und Schreibfaulheit
Nun habe ich in den vergangenen Jahren häufig von einer Verarmung der Lesekultur und einer gewissen Lese- und Schreibfaulheit der nachwachsenden Generationen gehört und gelesen. Videos und Fernsehsendungen sind für einen zunehmenden Anteil von Menschen wichtiger geworden als gedruckt, geschriebene Geschichten oder Informationen. Und selbst dort, wo noch Text eingesetzt wird, verändert sich die Nutzung. In Chats, bei SMS und in Tweets wird sich einer neuen, völlig verkürzten Sprache bedient und längere Texte in E-Mails oder bei Nachrichtentexten werden im Alltag immer seltener vollständig gelesen. Ebenso hat sich das Schreiben von Alltagstexten verändert: Häufig wird der Schwerpunkt auf eine kurze, geraffte Zusammenfassung von Informationen gelegt – was jedoch nicht nur auf die Nutzung von geschriebenen Texten in jüngeren Generationen zutrifft.

Die neue Hör- und Sprechkultur
Es scheint sich derzeit zudem eine Technologie zu etablieren, die in Kombination zu den schon vorhandenen audio-visuellen Orientierungen die bisher bekannte Lese- und Schreibkultur langfristig aushebeln könnte: die Spracherkennung als Mensch-Maschine Interface und SIRI als ihre derzeitige Galionsfigur.

Sobald wir und unsere Kinder uns daran gewöhnt haben, keine Texte mehr zu schreiben und zu lesen, um z.B. an Informationen im Web heranzukommen oder "Textnachrichten" nur noch zu diktieren, wird eine starke Veränderung der Bedeutung von geschriebenen Worten beginnen. Möglicherweise werden wir in Zukunft viele Informationen alleine über unsere Stimme abfragen können und die Ergebnisse ebenso auditiv wahrnehmen. Wir könnten uns auf technologisch hohem Niveau wieder in Richtung Sprachgesellschaft entwickeln. Dies muss nicht zwingend schlecht sein, denn evtl. ist das gesprochenen Wort ja doch nicht weniger wert, als sein geschriebenes Gegenstück – nur dessen Wertschätzung ist im Laufe der Jahrhunderte verkümmert.

Das ausgelagerte Gedächtnis
Etwas was uns vorangegangene Generationen jedoch voraus hatten – ein gutes Gedächtnis – werden wir wieder trainieren müssen. Ebenso werden wir wieder lernen müssen "besser zuzuhören". Alternativ werden wir uns aber vermutlich vollständig auf das virtuelle, technische Gedächtnis eines sich permanent verändernden "Weltwissens" im Web verlassen. Das ist vielleicht auch nur die moderne Form eines guten, erinnerungsstarken Redners auf dem Marktplatz oder einer gut sortierten Bibliothek.

Vermutlich sind wir nun technologisch an einem Punkt angekommen, zu dem die Informationstechnologie "geschriebenes/gedrucktes Wort" für die gesellschaftliche Entwicklung nicht mehr so wichtig ist (wie in zurück liegenden Jahrhunderten) und es "endlich" andere Mittel der Konservierung und Weitergabe von Geschichten und Informationen gibt, die selbst vor einigen Jahrzehnten noch für Science Fiction gehalten wurden.

Versteckte Medien
Mir fällt es auch noch schwer, mir quasi unsichtbare IT-Interfaces vorzustellen. Interaktive Medien, die nicht mehr haptisch sondern auditiv aufgebaut sind. Informationstechnologie, die als kleines Interface irgendwo im Raum oder am Körper positioniert ist und auf gestellte Fragen mit passenden Antworten daher kommt. Aber auch an eine solche Technologie werden wir uns gewöhnen. Ganz ähnlich wie es nach der Einführung von Mobiltelefonen in den 1990ern oder Smartphones in den vergangenen Jahren der Fall war.


P.S.: Diese Veränderung wird in Bezug auf Geräte- und Softwarebedienung bzw. die Beschaffung von Informationen einige sehr relevante Umorientierungen mit sich bringen. Aber darauf werde ich voraussichtlich ein anderes Mal eingehen.


Anmerkung zum Inhalt: der Text wurde am 28.06.2012 nachträglich verändert und ergänzt.

Dienstag, Februar 14, 2012

Veränderungen im Klassenzimmer: Herausforderungen für uns alle!

Heute bilde ich nur ein paar kurze Gedanken ab, die mich schon die letzten Tage und Wochen sehr beschäftigen. Für den heutigen Impuls für einen weiteren Blogeintrag hat eine in New York geführte Diskussion über "The Future of Higher Education + Classroom of the Future" im Rahmen der Social Media Week 2012 gesorgt (an der ich per Video-Livestream teilnehmen durfte).

Mir geht es hier mal wieder um die mögliche Zukunft von Lukas, unserem fiktiven Studenten im Jahr 2020. Was würde passieren, wenn in den kommenden Jahren die Klassenzimmer verstärkt mit Smart-Boards (digitalen Tafeln) und Social Web Feedback Boards (digitale Diskussionsflächen) ausgestattet würden?

Ob diese Neuerungen eine Verbesserung der Lehre ermöglichen, werden wir erst in vielen Jahren bewerten können. Ziemlich klar wäre aber jetzt schon, dass die Einführung von neuen Lehrmitteln bzw. Kommunikationsplattformen in Schulen, einen bedeutenden Einfluss auf die zukünftigen Erwartungen von jungen Erwachsenen in Bezug auf die Kommunikation und die Zusammenarbeit im Lehrbetrieb, im Studium, im Arbeitsalltag und in der Freizeit erzeugen werden.

Eine große Herausforderung stellt dies aber nicht nur für die Heranwachsenden (wie Lukas) dar, die mit diesen Medien aufwachsen. Vielmehr sind wir alle gefragt, die wir ohne diese Möglichkeiten aufgewachsen sind. Es erfordert ein Umdenken im Umgang mit Informationen, Medien und Kommunikationsplattformen. Vermutlich wird der Veränderungsprozess viel Verständnis von allen Seiten erfordern.

Mit Blick auf unsere Grafik "Geschichte der Medienwolken 1960 – 2010" sehe ich ein wachsendes Potential für zukünftige Missverständnisse zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Generationen. Wenn nahezu jede Generation eine völlig unterschiedliche Medien- und Kommunikationssozialisierung erfahren hat, müssen die jeweiligen Erwartungen an "standardisierte" Vorgehensweisen und Nutzungsgewohnheiten neu überdacht werden...

Die Herausforderungen dieser Entwicklung könnte für uns "etablierte" Erwachsene möglicherweise schwieriger werden, als für die Heranwachsenden, die in diesem Jahrtausend geboren wurden und werden. Wir müssen deutlich mehr alte Gewohnheiten, liebgewonnene Arbeitsweisen und angebliches Wissen auf die Prüfsteine legen (lassen), als unsere jüngeren "Nachfolger".

Dienstag, September 27, 2011

Kommunikation und Medien in der Zukunft: Lukas als Student im Jahr 2020


Nun ist tatsächlich genug Zeit vergangen, in der sich die geneigten Leser des K2020-Blogs mit den Studenten der Jahre 1960 bis 2010 auseinander setzen konnten. Alle, die sich bisher noch nicht getraut haben nach Lukas zu fragen oder noch nicht auf meiner bisherigen Kundenliste stehen, mussten leider bis jetzt auf Lukas warten.

Heute scheint 2020 noch weit weg
Lukas hat sich ja im Jahr 2011 gerade mal in seiner weiterführenden Schule eingelebt (hoffe ich mal). Er macht sich vermutlich noch nicht so viele Gedanken über ein potentielles Studium oder die dort zu verwendenden Medien. Stattdessen wird er sich vielleicht manchmal fragen, warum er immer einen Rucksack voller Bücher rumschleppen muss, wenn doch der gesamte Inhalt der Lehrbücher auf ein elektronisches Lesegerät passen würde. So eines, wie es sein Vater schon seit einem Jahr verwendet und fast überall mit hinschleppt. Da könnte er auch mit 24/7-Internetzugang auf alles Wissen der weltweiten Netzwerke zugreifen. Aber das ist noch eine andere Geschichte.

Eine Zukunftsvision – Lukas im Jahr 2020
Anstelle von Lukas habe ich mir mal ein paar Gedanken zu einem möglichen Szenario für seine Zukunft mit den Medien gemacht und in der projektwerft die folgende Illustration auf Basis unserer Medienwolken Illustrationen entwickelt.

Medienwolken Vision 2020, vorstellbare Medienrealität (Version Oktober 2013) – Ein Projekt von "K2020 – Die Zukunft der Kommunikation"
Medienwolken: Vision einer Medienrealität 2020 (Version 10/2013)

Die Medien-Sozialisation von Lukas
Zunächst gehören Lukas und seine Studienkollegen im Jahr 2020 zu den jungen Menschen, die sich nicht an eine Welt ohne Internet und digitale Medien erinnern können, da im Jahr ihrer Geburt (2000) schon die erste große Welle der Interneteinführung vollbracht war. Auch wenn ein Jahr später die erste .com-Blase platzte (wovon der kleine Lukas nichts mitbekommen hat), war der Siegeszug des weltumspannenden, digitalen Netzwerks schon in vollem Gang. Lukas ist in einer Welt und Umgebung mit Mobiltelefonen, Computern, Notebooks, e-Readern, Smartphones, digitalen Kameras, iPods, iPads etc. aufgewachsen. Nahezu jeder Erwachsene in seiner Erfahrungswelt nutzte eines oder mehrere dieser Geräte als wären sie schon immer da gewesen.

Unser junger Student hat in seiner Jugend noch die Weiterentwicklung von diesen technischen Hilfsmitteln erlebt, aber keine Welt ohne sie. Es sei denn, er hat mit seinen Eltern mal eine Reise in ein sehr fernes Land zu sehr ursprünglich lebenden Menschen gemacht. Wenn er nicht zu den jungen Menschen gehört, die sich in ihrer Freizeit sehr für die Geschichte der Menschheit oder die der Medien interessiert hat, kann er die Entwicklung hin zu diesen (aus Sicht älterer Menschen) noch verhältnismäßig neuartigen Technologien nicht wirklich nachvollziehen. Er nutzt sie einfach für seine Freizeit- und Studienaktivitäten ohne sich großartig Gedanken über deren Entstehen und die Zusammenhänge zu machen. Er macht das so wie viele Menschen, die auf ähnliche Art einfach ihre Autos, Fahrräder, Busfahrkarten, Fernseher, Radios oder gedruckten Bücher und Tageszeitungen nutzen – diese Errungenschaften der modernen Menschheit gehören einfach zum Alltag und sind quasi Standard.

Aufwachsen mit bewegten Bildern
Während für Lukas Großvater die Beschäftigung mit der morgentlichen Tageszeitung über Jahrzehnte hinweg zu einem täglichen Ritual am Frühstückstisch gehörte, ist es für Lukas eher typisch, dass er sich auf seinen virtuellen Filteragenten verlässt, der ihm die persönlich wichtigen News aus aller Welt oder seinem sozialen Netzwerk per Signal andeutet. Per Aktivierung bekommt Lukas diese News dann als audiovisuelles Signal auf seiner Datenbrille angezeigt – oder wahlweise auf jedem verfügbaren Bildschirm und Lautsprecher in seiner Nähe.

Für Lukas ist das nur eine konsequente und völlig logische Weiterentwicklung von Technologien, die er schon seit seiner Kindheit kennt: Fernsehen, Video, Internet und virtuelle soziale Netzwerke und Medien (Social Networks und Social Media). Der weitaus größte Teil der Kommunikations-, Informations- und Entertainment-Medien, die er nutzt basieren auf digitalen Daten und Netzwerken.

Video-Telefonie und virtuelle Seminar-Teilnahmen
Ähnlich selbstverständlich verhält es sich mit der Entwicklung bei Gesprächen über größere Entfernungen. Video-Telefonie ist bis 2020 eine übliche Kommunikationsform geworden. Lukas nutzt sie immer dann, wenn er seine Studienkollegen oder Freunde und Familie beim Gespräch auch sehen will oder es sinnvoll erscheint dies zu tun. Aber auch bei virtuellen Seminaren wird diese Technik eingesetzt, damit Studierende auch teilnehmen können, wenn sie durch Krankheit, eine besondere körperliche Einschränkung oder einen kollidierenden Termin ausserhalb ihres Studienortes nicht am Veranstaltungsort des Seminars sein können.

Infografiken und Videos
Ebenso wie die Videotelefonie werden 2020 vermehrt Videos und animierte, zum Teil interaktive Infografiken für die Bildung eingesetzt. Da die jungen Studenten überwiegend mit Fernsehen und Internet aufgewachsen sind gehören diese Wissensvermittler wie Texte zum allgemeinen Lehrstoff. Lukas könnte sich eine Wissensvermittlung nur mit Texten überhaupt nicht vorstellen. Er ist der Meinung, dass man mit einem How-To-Video oder einer virtuellen Simulation viel schneller lernt als mit einem Buch. Die (klassischen) Bücher hat er als Nachschlagewerke zwar immer auf seinem Lesegerät verfügbar, aber ganz durchgelesen hat er kaum eines davon. Durch die schnelle Stichwortsuche muss er nur noch einen passenden Begriff nennen und schon werden ihm die relevanten Stellen angezeigt. Ganz verzichten wird er auf die "Klassiker" trotzdem nicht. Aber er findet lesen in gedruckten Büchern eher lästig. Seine Welt ist ja schließlich mehrdimensional und sehr schnelllebig.

24/7 Nutzung des digitalen Rhizoms
Lukas informiert sich immer dann, wenn er eine Information braucht. Das macht er nahezu ausschließlich mit Hilfe eines seiner mobilen Breitband-Interfaces im digitalen Rhizom, mit seinen verschiedenen Medien- und Nutzungskanälen sowie den sozialen Netzwerken. Das digitale Rhizom wurde früher mal Internet oder Web genannt, bis diese Bezeichnungen nicht mehr zum aktuellen Aufbau dieser digitalen Informationsarchitektur passte. Im digitalen Rhizom ist die Bereitstellung vieler Informationen vom Zugang zu den vorherrschenden "Social Network"- oder "Social Media"-Angeboten abhängig, die jedoch mit ihren vielfältigen Diensteanhängseln quasi ohne ordnende Hierarchien auskommen und über viele verschiedene Zugangspunkte erreichbar sind.

"Fast-Food" Information
Ob die Einstellung unseres Studenten zur On-Demand-Wissenserweiterung so 100%-ig sinnvoll ist, sei mal dahingestellt. Aber Lukas ist in einer Welt aufgewachsen, die diese Einstellung gefördert hat. Er hat es nicht wirklich gelernt lange, komplexe Texte zu lesen und zu üben diese zu verstehen, mit anderen Informationen (aus anderen Themenbereichen) zu vergleichen und zu interpretieren. Ihm sind eher die kurzen Texte von Internetseiten bekannt – kurz und knapp aufbereitete Informationshäppchen, die den schnellen Informationshunger befriedigen aber nicht ganz "satt" machen. Eine Hintergrundrecherche fällt oft den vielen anderen Kommunikations-, Info- und Entertainment-Angeboten zum Opfer, die um Aufmerksamkeit buhlen.

Die Kurzlebigkeit von vielen Informationen ist für Lukas ganz normal. Normal ist auch, dass er die gesehenen oder gelesenen Information kurze Zeit später häufig schon wieder vergessen hat und wieder nachschauen muss. Dies zu hinterfragen muss er noch lernen, wie viele seiner Altersgenossen. Da geht es ihm allerdings ebenso wie vielen Menschen vorangegangener Generationen, die ihre Wissenslücken mit Hilfe eines gedruckten Nachschlagewerks temporär geschlossen haben oder schließen.

Mangel an Medienkompetenz
Eine tiefgreifende Medienerziehung hat Lukas nie genossen. Dafür hatten seine Eltern und der Großteil seiner Lehrer selbst nicht die nötige Kompetenz mitgebracht. In den 2010er Jahren wurde das Thema Medienkompetenz zwar immer wieder heiß diskutiert, aber ein Schul-Pflichtfach neben Deutsch, Mathematik und Englisch ist es nie geworden. Daher hat er leider auch nicht gelernt, Informationen, die er aufnimmt, kritisch zu hinterfragen. Lukas nutzt zwar die modernen Hilfsmittel wie selbstverständlich, aber ohne seinen virtuellen Filteragenten, der seine persönlichen Interessensgebiete im Laufe der Zeit zu sortieren gelernt hat, wäre unser Student bei der Nachrichten- und Informationsselektion ziemlich aufgeschmissen. Das muss er nun, zum Teil sehr schmerzhaft und arbeitsintensiv, während des Studiums lernen.

Zusammentreffen verschiedener Medien-Sozialisations-Generationen
Viele der Professoren im Jahr 2020 sind noch Schüler der "alten Medien Schule" und haben eine Bildung vor und während der Entstehung des Internets und der folgenden digitalen Medien erlebt. Sie haben dem entsprechend andere Ansprüche an Analysefähigkeiten, Allgemeinbildung und fachliches Grundwissen, Kreativität und Verknüpfungskompetenz als Lukas dies bisher gelernt hat. Ein 24/7-Nachschlage-Verhalten lassen sie nicht gelten. Die digitalen Hilfsmittel, mit denen Lukas aufgewachsen und umgeben ist, werden zwar intensiv für die Lehre genutzt, den Dozenten ist die Ausfallwahrscheinlichkeit dieser Mittel aber durchaus bewusst. Daher werden auch immer wieder klassische, analoge Medien für den fachlichen Kompetenzaufbau eingesetzt. Lukas hält das allerdings für überhaupt nicht zeitgemäß.

Analog vs. digital
Die analoge Welt wird im Jahr 2020 zwar nahezu 1:1 in der digitalen Welt abgebildet und dort zum Teil sogar durch neue rein digitale Optionen erweitert (Stichwort "Augmented Reality"), das Leben ganz allgemein findet aber weiterhin analog statt – und geht auch weiter, wenn der Strom mal ausfällt.


Die Zukunft ist offen
Ob dieses Szenario für Lukas und uns tatsächlich ganz genau so eintreten wird kann man durchaus in Frage stellen. Es gibt unglaublich viele Parameter, die auch eine völlig andere Zukunft möglich machen. Eine Prognose für ein kommendes Jahrzehnt abzugeben ist nahezu immer mit einer hohen Fehlerquote behaftet. Ähnlich könnte eine Medienrealität im Jahr 2020 für Studenten in westlich industrialisierten Kulturen aber durchaus aussehen und es ist bestimmt in vielerlei Hinsicht sinnvoll, über die Begleiterscheinungen der Entwicklungen nachzudenken. Ich hoffe allerdings, in einigen Fällen (den eher negativen Entwicklungen) als Orakel daneben zu liegen.

Ich werde weitere Überlegungen in folgenden Blogeinträgen nachreichen. Zunächst sollte diese Vision zu unserem fiktiven Studenten Lukas für erste Gedankenspiele zum Jahr 2020 genügen.


Screenshot des K2020 Impulsbuchs "Medienwolken 1960 – 2020" im iBookstoreDas Impulsbuch "Medienwolken 1960 – 2020"
Seit September 2013 ist auch ein begleitendes eBook mit Illustrationen und Kurzszenarien im iBookstore erhältlich.


Nutzungsrechte
Wir haben auch die "Vision Medienrealität 2020" Illustration mit einem Creative Commons Copyright gekennzeichnet, um sie für interessierte Schüler, Studierende und Lehrende als Diskussionsgrundlage nutzbar zu machen. Für eine kommerzielle Nutzung halten alleine Christoph Steinhard und die projektwerft das Copyright. Die aus der Studienarbeit gewonnenen Ergebnisse werden wir in aktuelle und zukünftige Projekte einfließen lassen.

Eine kommerzielle Nutzung der Illustration oder Teile daraus erfordert immer die schriftliche Zustimmung der projektwerft. Dies gilt insbesondere für Geschäftspräsentationen, Workshops oder Vorträge zum Thema. Dadurch möchten wir u.a. eine Feedback-Schleife für zukünftige Optimierungen etablieren.

Wer mehr über die Medienwolken- oder Kommunikation 2020-Workshops wissen will, kann gerne über info(at)projektwerft.de (Stichwort: K2020 – Medienwolken Vision 2020) oder mein Xing-Profil Kontakt mit mir aufnehmen. Über konstruktive Kommentare hier im Blog freue ich mich auch.




Anmerkungen 
Eine leichte Modifikation des Artikels im Absatz "Die Zukunft ist offen" ist am 18.03.2013 erfolgt.

Die Illustration wurde im Oktober 2013 im Rahmen der Erarbeitung einer "Vision zur Kommunikation 2030" leicht optimiert und um einige Begriffe erweitert.  

Im Juli 2013 habe ich den "Like"- bzw. "gefällt mir"-Button eingebunden und freue mich, wenn er von Facebook-Nutzern als kleine Wertschätzung für die Medienwolken genutzt wird.